Es geht los: Wir haben uns mit zehn Abgeordneten als neue Gruppe im Bundestag konstituiert und werden die Ampel gemeinsam unter Druck setzen. Denn eines ist klar: Diese Regierung, die unser Land immer tiefer in die Krise führt, braucht eine starke Opposition mit seriösen Konzepten für unsere Zukunft - keinen Friedrich Merz, der die ohnehin schmalen Renten weiter kürzen und uns noch tiefer in den Ukraine-Konflikt hineinziehen würde. In einer ersten Pressekonferenz spricht Sahra Wagenknecht, Vorsitzende der BSW-Gruppe im Bundestag, über die anstehenden Aufgaben und beantwortet Fragen der Journalisten zum Verein „Bündnis Sahra Wagenknecht - Für Vernunft und Gerechtigkeit“, zur bevorstehenden Parteigründung und der weiteren Arbeit der Gruppe im Parlament.
Liebe Mitglieder der Partei DIE LINKE,
wir haben uns entschieden, DIE LINKE zu verlassen und eine neue Partei aufzubauen. Dieser Schritt ist uns nicht leicht gefallen. Denn DIE LINKE war jahre- oder sogar jahrzehntelang unser politisches Zuhause.
Hier haben wir Mitstreiterinnen und Mitstreiter kennengelernt, von denen viele zu Weggefährten und einige zu Freunden wurden. Mit ihnen gemeinsam haben wir Abende und Wochenenden bei Parteiveranstaltungen
verbracht und in Wahlkämpfen Sonderschichten eingelegt. All dies hinter uns zu lassen, fällt uns schwer – politisch wie persönlich. Hätte es einen besseren Weg gegeben, wir wären ihn gerne gegangen.
Weil wir uns mit vielen von Euch verbunden fühlen, möchten wir unsere Entscheidung begründen.
Die Konflikte der letzten Jahre wurden um den politischen Kurs der LINKEN geführt. Immer wieder haben wir argumentiert, dass falsche Schwerpunkte und die fehlende Konzentration auf soziale Gerechtigkeit und
Frieden das Profil der Partei verwässern. Immer wieder haben wir angemahnt, dass die Fokussierung auf urbane, junge, aktivistische Milieus unsere traditionellen Wähler vertreibt. Immer wieder haben wir versucht,
den Niedergang der Partei durch eine Änderung des politischen Kurses aufzuhalten. Damit hatten wir keinen Erfolg – und im Ergebnis hatte die Partei bei den Wählerinnen und Wählern immer weniger Erfolg.
Die Geschichte der LINKEN seit der Europawahl 2019 ist die Geschichte eines politischen Scheiterns. Die jeweiligen Parteiführungen und die sie stützendenden Funktionäre auf Landesebene waren entschlossen,
dieses Scheitern auf keinen Fall kritisch zu diskutieren. Es wurde weder eigene Verantwortung dafür übernommen, noch wurden inhaltliche Konsequenzen daraus gezogen. Vielmehr wurden diejenigen, die dem Kurs der
Parteiführung kritisch gegenüberstanden, als Schuldige für die Ergebnisse ausgemacht und immer weiter ausgegrenzt.
Wir sehen vor diesem Hintergrund für unsere Positionen keinen Platz mehr in der Partei. Als Beispiel sei an den „Aufstand für den Frieden“ vom Februar 2023 erinnert. Es war die größte Friedenskundgebung der
letzten knapp 20 Jahre. Zehntausende versammelten sich vor dem Brandenburger Tor. Obwohl, und gerade weil etwa die Hälfte der Bevölkerung den militärischen Kurs der Regierung ablehnt, hat sich das gesamte
politische Establishment des Landes gegen die Kundgebung gewehrt und sie diffamiert. Statt uns in dieser Auseinandersetzung zu unterstützen, stand die Parteiführung der LINKEN Schulter an Schulter mit den
anderen Parteien: Sie hat den Initiatoren der Kundgebung vorgeworfen, „rechtsoffen” zu sein und war so Stichwortgeber für Vorwürfe gegen uns.
Die politischen Räume für uns in der Partei wurden so klein, dass wir mit geradem Rücken nicht mehr reinpassen. Aus unseren Landesverbänden wissen wir: So geht es vielen Mitgliedern der LINKEN. Auch für sie
wollen wir mit der neuen Partei eine neue politische Heimat schaffen.
Dies tun wir aus innerer Überzeugung, denn eine Partei ist kein Selbstzweck. Was uns antreibt: Wir wollen die politische Entwicklung nicht länger hinnehmen. Die sozial verheerende Politik der Ampel kostet
große Teile der Bevölkerung Einkommen und Lebensqualität. Die deutsche Außenpolitik munitioniert Kriege, statt sich um Friedenslösungen zu bemühen. International eskalieren Konflikte, die sich abzeichnende
Blockbildung ist eine Bedrohung für den Weltfrieden und wird massive ökonomische Verwerfungen mit sich bringen. Gleichzeitig wird Widerspruch gegen diese politische Entwicklung in der öffentlichen Diskussion
immer häufiger sanktioniert und an den Pranger gestellt. Aber Demokratie braucht Meinungsvielfalt und offene Debatten. Die Unfähigkeit der Regierung, mit den Krisen unserer Zeit umzugehen, und die Verengung
des akzeptierten Meinungskorridors haben die AfD nach oben gespült. Viele Menschen wissen schlicht nicht mehr, wie sie anders ihren Protest artikulieren sollen. DIE LINKE tritt in dieser Situation nicht mehr
als klar erkennbare Opposition auf, sondern als weichgespülte „Ja, aber...”-Partei. Sie ist mit diesem Kurs unter die Wahrnehmungsgrenze der Bevölkerung gesunken. Aktuell spricht alles dafür, dass sie im
nächsten Bundestag nicht mehr vertreten sein wird, während die AfD in Umfragen bei über 20 Prozent steht. Wir haben die Verantwortung, den Kampf um die Ausrichtung der Politik und um die Zukunft unseres Landes
wieder ernsthaft zu führen. Dafür wollen wir eine neue politische Kraft aufbauen, eine demokratische Stimme für soziale Gerechtigkeit, Frieden, Vernunft und Freiheit.
Wir gehen ohne Groll und ohne Nachtreten gegen unsere alte Partei. Der Konflikt ist für uns abgeschlossen. Wir wissen: Einige von Euch haben diesen Schritt herbeigesehnt, andere werden enttäuscht sein und
wieder andere werden nun abwarten, wie sich die Dinge entwickeln. Euch allen sagen wir: Wir möchten uns wie Erwachsene trennen. Ein Rosenkrieg würde uns allen schaden. Die Partei DIE LINKE ist nicht unser
politischer Gegner. Den vielen unter Euch, mit denen wir lange Jahre vertrauensvoll zusammengearbeitet haben, sagen wir auch: Wir sind bereit für Gespräche und würden uns freuen, Euch zu einem geeigneten
Zeitpunkt in unserer Partei begrüßen zu können.
Mit freundlichen Grüßen
Sahra Wagenknecht, Amira Mohamed Ali, Christian Leye, Lukas Schön, Jonas Christopher Höpken, Fadime Asci, Ali Al-Dailami, Sevim Dagdelen, John Lucas Dittrich, Klaus Ernst, Andrej Hunko, Zaklin Nastic, Amid Rabieh, Jessica Tatti, Alexander Ulrich, Sabine Zimmermann
Warum ein Verein? Wie kann ich Sahra Wagenknecht unterstützen? Wird es auch eine Partei geben? Zum „Bündnis Sahra Wagenknecht“ gibt es viele Fragen. Wir haben versucht, einen Großteil Ihrer möglichen Fragen vorab zu beantworten.
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